Soundtrack meines Lebens
Es ist Abend und Samstag und ich freue mich schon seit einer ganzen Woche auf diesen einen Abend. Der Abend an dem sie wieder spielen. Die Band mit der ich so viel verbinde. Eigentlich alles, was meinen Start in das Leben bedeutete.
Mit diesen Typen war ich das erste Mal betrunken. Auf den ersten "wilden" Partys. Das schlechte Tape ihrer ersten mehr oder weniger grandiosen Aufnahmen lief im Hintergrund als ich zwischen Bass und Schlagzeugsticks meinen ersten richtigen Kuss bekam. Viele Nächte hatte es gegeben in denen wir alle den ranzigen Probenkeller belagerten und ihnen beim Musikmachen zuhörten. Kein einziges Konzert haben wir verpasst und keine Silbe der Songs blieb nur dem Sänger überlassen: Wir haben mitgegrölt bis kein Ton mehr kam. Getanzt und gesprungen bis wir johlend zu Boden stürzten.
Und heute spielen sie wieder. Alle sind gekommen. Die alten Fans, die kleinen Geschwister, die Mamas und Papas, die nach wie vor den Stolz auf ihre Söhne nicht verbergen können, und alles kommt einem vor wie früher. Die Menschen sind etwas älter geworden. Brüder haben Bärte bekommen und Mütter ein paar Falten mehr.
Und doch sind es die Alten, als dreimal die Sticks aufeinanderprallen, die Gitarren einsetzen und die wohlbekannten Melodien aus den Boxen dröhnen. Das Lied, der Text, das schelmische Lächeln der Jungs, das angestrengte Lippenaufeinanderpressen beim Finden der richtigen Saiten, der prüfende Blick ins Publikum, ob alle zufrieden sind. Oh ja, das sind sie. Sie schreien und tanzen und grölen wie früher. Es ist warm und stickig und die ersten Schweißtropfen spritzen durch den Raum.
Während ich singe bemerke ich zum ersten Mal, was die Worte die ich jahrelang Tag für Tag dahingesummt habe, bedeuten. Sie singen von der Vergangenheit. Davon, dass früher einmal alles besser war, dass man fortgehen musste, weil es die Zeit so wollte, seine Freunde verlassen und verloren hat, dass man die alten Zeiten nicht zurückholen kann. Und dass man das heute erst erkennt.
Mein Singen wird leiser, weil ich nachdenken muss, weil mir in diesem Moment bewusst wird, das eigentlich gar nichts wie früher ist. Es rotten sich die Menschen zusammen, die damals einmal etwas verband. Sie singen miteinander diese Lieder, sie denken an früher und freuen sich darüber.
Jetzt verstehe ich, warum man die Leute über alte Zeiten reden hört, warum manche so in sich versinken, wenn sie an damals denken. Es wird mir klar, dass ich eine erlebte Zeit habe, an die ich mich schon jetzt gern zurück erinnere, die mich mein ganzes Leben begleiten wird. Es wird hoffentlich noch in zwanzig Jahren Gigs von Euch geben, damit ich meine Erinnerung auffrischen kann, und versinken kann, wenn ich die alten Songs höre...

Copyright © Neon Magazin 2005
Erscheinungsdatum: Mittwoch, 5. Oktober 2005

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